LMP: Gemeinnützige Organisationen

Non-Profit-Brief III 2025

UPDATE ZUM KOOPERATIONSPRIVILEG I. S. D. § 57 ABS. 3 AO

Das Kooperationsprivileg i. S. d. § 57 Abs. 3 AO war in der Vergangenheit bereits mehrfach Thema im NPB. In den Ausgaben 01/2021, 02/2021 und 01/2022 berichteten wir ausführlich über die Einführung der Kooperationsregelung i. S. d. § 57 Abs. 3 AO im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2020 sowie über die Positionierung der Finanzverwaltung zu dieser Vorschrift im Rahmen des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung. Im NPB 01/2024 informierten wir Sie dann über das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 26.09.2023 (Az.: 5 K 11/2023) zum sog. „doppelten Satzungserfordernis“, mit dem es der Auffassung der Finanzverwaltung teilweise entgegentrat.

Die durch das zuständige Finanzamt eingelegte Revision wurde seither unter dem Aktenzeichen V R 22/23 geführt. Dem BFH wurde damit die Frage zur Klärung vorgelegt, ob ein „satzungs-gemäßes planmäßiges Zusammenwirken“ zur Verwirklichung des eigenen steuerbegünstigten Satzungszwecks i. S. d. § 57 Abs. 3 AO erfordert, dass das Zusammenwirken nicht nur in der Satzung der leistungserbringenden Körperschaft als Art der Zweckverwirklichung festgehalten sein muss, sondern auch, dass die Körperschaft, mit der kooperiert wird, und die Art und Weise der Kooperation auch in der Satzung der leistungsempfangenden Körperschaft bezeichnet sein müssen (sog. „doppeltes Satzungserfordernis“).

Der BFH hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit Beschluss vom 22.05.2025 nun diverse Rechtsfragen zur beihilferechtlichen Konformität dieser Regelung vorgelegt. Nach dem Beschluss vertritt der zuständige Senat des BFH die Auffassung, dass die Vorschrift des § 57 Abs. 3 AO eine nach Art. 107 Abs. 1 AEUV mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe darstellt.

Im Hinblick auf die Frage nach der Erforderlichkeit des „doppelten Satzungserfordernisses“ lässt der o. g. Beschluss bereits erkennen, dass sich der BFH nach dem bisherigen Verfahrensstand – sollte es sich bei § 57 Abs. 3 AO nicht um eine unzulässige Beihilfe handeln – der Vorinstanz anschließen würde und die Revision demnach als unbegründet ansieht. Das von der Finanzverwaltung geforderte doppelte Satzungserfordernis wird mithin (auch) vom BFH nicht geteilt.

Zur beihilferechtlichen Prüfung der Vorschrift wurden dem EuGH die Rechtsfragen vorgelegt, ob (1) eine mit dem Binnenmarkt nicht zu vereinbarende staatliche Beihilfe vorliegt, wenn für eine wirtschaftliche Tätigkeit die Steuerbegünstigung eines Zweckbetriebs auch dann gewährt wird, falls insoweit die steuerbegünstigten Zwecke nicht unmittelbar selbst verwirklicht werden, (2) dem dafür erforderlichen selektiven Vorteil womöglich entgegensteht, dass die entsprechende Körperschaft gemeinnützigkeitsrechtlichen Beschränkungen unterliegt, und (3) ob – bei Bejahung einer Beihilfe – eine nur unwesentliche Änderung einer Altbeihilfe, die bereits vor dem 01.01.1958 bestand, gegeben ist, welche nicht notifikationspflichtig ist.

Die Tatsache, dass das Kooperationsprivileg i. S. d. § 57 Abs. 3 AO auf dem europarechtlichen Prüfstand steht, dürfte für die das Kooperationsprivileg nutzenden gemeinnützigen Körperschaften von äußerst weitreichender Bedeutung sein. Sollte der EuGH die Regelung als unzulässige Beihilfe ansehen, bestünde mangels Notifizierung des § 57 Abs. 3 AO gem. Art. 108 Abs. 3 AEUV ein Durchführungsverbot. Dieses würde dazu führen, dass die Vorschrift nicht mehr angewendet werden darf. Wie die Finanzverwaltung dann mit den Servicekörperschaften umgeht, die die Regelung bislang in Anspruch genommen haben, ist aktuell nicht klar. Zumindest für die Zukunft wären die im Rahmen der Kooperation erbrachten Leistungen folglich nicht mehr dem steuerbegünstigten Zweckbetrieb zuzuordnen.

Da das Revisionsverfahren gegen das Urteil des FG Hamburg bis zur Entscheidung des EuGH ausgesetzt wurde, bleibt die Regelung des § 57 Abs. 3 AO zunächst uneingeschränkt bestehen. Es bleibt also abzuwarten, ob der EuGH in der Sache entscheidet oder das Revisionsverfahren noch durch eine andere Form (z. B. Klagerücknahme) erledigt wird.

 

 

STIFTERUNTERHALT I. S. D. § 58 NR. 6 AO

Hintergrund & Zweck

Die Vorschrift des § 58 Nr. 6 AO gestattet es steuerbegünstigen Stiftungen einen Teil ihres Einkommens dazu zu verwenden, die Gräber des Stifters und seiner nächsten Angehörigen zu pflegen, deren Andenken zu ehren sowie Unterhalt zu gewähren. Diese Regelung stellt damit eine Ausnahme vom Gebot der Selbstlosigkeit i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 i. V. m. Abs. 3 AO dar, wonach der Stifter und seine Erben keine Zuwendungen aus Stiftungsmitteln erhalten dürfen.

Durch die Einführung dieser Ausnahmeregelung sollte ein Anreiz zur Errichtung von gemein-wohlfördernden Stiftungen geschaffen werden, da Stifterinnen und Stifter häufig schon zu Lebzeiten erhebliche Teile ihres Vermögens auf eine Stiftung übertragen und damit Gefahr laufen, die zukünftige Versorgung der eigenen Angehörigen zu gefährden. Sollte sich nämlich nach der Stiftungserrichtung die wirtschaftliche Situation der Stifter oder der nächsten Angehörigen verschlechtern, so ist ein (angemessener) Unterhalt womöglich nicht mehr gewährleistet. Durch die Ausnahmeregelung des § 58 Nr. 6 AO wird die Stiftung aber in die Lage versetzt, entsprechende Unterhaltsleistungen ohne Gefährdung der Gemeinnützigkeit zu erbringen.

Die Ausnahmeregelung des § 58 Nr. 6 AO begründet jedoch keinen eigenständigen steuer-begünstigten Zweck. Einer Stiftung, zu deren Satzungszwecken die Unterstützung von hilfe-bedürftigen Verwandten der Stifterin bzw. des Stifters zählt, kann daher nicht unter Hinweis auf
§ 58 Nr. 6 AO als steuerbegünstigt behandelt werden.

 

Persönlicher Anwendungsbereich

Der persönliche Anwendungsbereich der Vorschrift ist auf (rechtsfähige und nicht rechtsfähige) Stiftungen beschränkt. Der Kreis der Destinatäre umfasst nach der Gesetzesnorm die „nächsten Angehörigen“, was im Schrifttum unterschiedlich ausgelegt wird. Nach Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. AEAO Nr. 12 zu § 58) ist der Begriff der nächsten Angehörigen enger als der Begriff des Angehörigen nach § 15 AO zu verstehen und umfasst daher (nur):

  • Ehegatten und Lebenspartner
  • Eltern, Großeltern und Pflegeeltern
  • Kinder, Enkel und Pflegekinder (auch falls durch Adoption verbunden)
  • Geschwister

Nach herrschender Meinung in der Literatur müsste der Begriff jedoch weiter gefasst werden und deshalb zumindest alle Verwandten in gerader Linie inklusive Pflege- und Adoptivkinder umfassen. Zusammengefasst bleibt jedoch festzustellen, dass jedenfalls sonstige Personen
(z. B. Angestellte oder Freunde) nicht im Rahmen des § 58 Nr. 6 AO begünstigt werden können.

Bemessung des Stifterunterhalts

Die Stiftung darf im Rahmen des § 58 Nr. 6 AO insgesamt bis zu einem Drittel ihres Einkommens für Unterhaltsleistungen oder Aufwendungen für die Pflege der Gräber und die Ehrung des Andenkens der Stifter sowie ihrer Angehörigen verwenden. Erhalten mehrere Begünstigte Leistungen i. S. d. § 58 Nr. 6 AO, so steht hierfür insgesamt höchstens ein Drittel des Stiftungseinkommens zur Verfügung.

Auch der Begriff „Einkommen“ wird durch die Finanzverwaltung und das Schrifttum mitunter unterschiedlich ausgelegt. So versteht die Finanzverwaltung unter dem Begriff „Einkommen“ die Summe der (positiven und negativen) Einkünfte aus den einzelnen Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG und zwar unabhängig von einer etwaigen Steuerpflicht. Daher sind nach der Verwaltungsauffassung neben den Gewinnen und Verlusten aus steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben auch die Ergebnisse aus Zweckbetrieben und die Überschüsse aus der Vermögensverwaltung einzubeziehen. Die Einbeziehung der Ergebnisse aus Zweckbetrieben begegnet im Schrifttum jedoch mitunter Bedenken, da Zweckbetriebe per Definition dem steuerbegünstigten Zweck und nicht der Einkünfteerzielung dienen und damit auch nicht zur Profitabilität genötigt werden sollten. Die Tatsache, dass Zweckbetriebe oftmals (bewusst) ohne Gewinnorientierung betrieben werden und damit in der Folge negative Ergebnisse erwirtschaften, führt im Hinblick auf die Einbeziehung dieser Ergebnisse zu einer Schmälerung der Bemessungsgrundlage für die Unterhaltsleistungen. Einig sind sich Schrifttum und Finanzverwaltung jedoch hinsichtlich der Nichtberücksichtigung von Spendeneinnahmen, Zuschüssen sowie dem Ausstattungsvermögen bei der Bemessung des Stifterunterhalts.

Neben der gesetzlich normierten – relativen – Grenze von einem Drittel des Stiftungseinkommens ist zudem zu beachten, dass die Unterhaltsleistungen in absoluter Höhe angemessen sein müssen (vgl. § 58 Nr. 6 AO: „[…] um in angemessener Weise den Stifter und seine nächsten Angehörigen zu unterhalten […]“). Maßstab für die Angemessenheit des Unterhalts ist nach herrschender Meinung im Schrifttum sowie der Finanzverwaltung der Lebensstandard des Zuwendungsempfängers im Zeitpunkt der ursprünglichen Vermögensausstattung der Stiftung. Durch die Zuwendungen i. S. d. § 58 Nr. 6 AO soll es den Destinatären somit ermöglicht werden, ihren bisherigen Lebensstandard beizubehalten. Ob eine Angemessenheit gegeben ist, kann nur im Rahmen einer Einzelfallprüfung festgestellt werden. Abgelehnt werden kann eine Angemessenheit jedenfalls bei pauschalen Zahlungen („Stifterrente“) oder bei Leistungen mit Ausschüttungscharakter (z. B. in Höhe eines Prozentsatzes der Erträge).

Stifterunterhalt bei Zustiftungen

Auch eine Zustifterin bzw. ein Zustifter haben die Stellung einer Stiftern bzw. eines Stifters inne, so dass die Regelung des § 58 Nr. 6 AO auch auf diese bzw. deren nächste Angehörige angewendet werden kann. Bei der Berechnung der o. g. 1/3-Grenze ist dann jedoch zu beachten, dass das Einkommen der Stiftung nur teilweise aus der Zustiftung resultiert. Die maximal möglichen Unterhaltszahlungen sind insofern also im Verhältnis zu den gestifteten Vermögens-werten zu betrachten.