Ärztebrief II 2025

DIE “NEUE” KLEINUNTERNEHMERREGELUNG IM DETAIL

Viele Arztpraxen erbringen neben den üblichen Heilbehandlungsleistungen auch Gutachterleistungen, Vortragsleistungen oder ästhetische Leistungen. Grundsätzlich sind diese Leistungen oftmals umsatzsteuerpflichtig und nicht wie die üblichen Behandlungsleistungen von der Umsatzsteuer befreit.

Um zu vermeiden, dass jede Arztpraxis Umsatzsteuervoranmeldungen und eine Umsatzsteuererklärung abgeben muss, gibt es die sogenannte Kleinunternehmerregelung. Dies ist eine Vereinfachung im deutschen Umsatzsteuerrecht, die es Unternehmern (wie bspw. den Ärzten und Ärztinnen) ermöglicht, auf die Erhebung und Abführung der Umsatzsteuer zu verzichten. Die Regelung richtet sich an Unternehmer, deren umsatzsteuerpflichtige Umsätze eine bestimmte Umsatzgrenze nicht überschreiten.

 

Neugestaltung der Kleinunternehmerregelung ab 2025

Diese steuerliche Regelung wurde kürzlich in Teilen verändert und für Ärzte und Ärztinnen vorteilhaft gelockert. Unter anderem wurden die Umsatzgrenzen, ab denen Arztpraxen umsatzsteuerpflichtig werden, angehoben.

Bis zum 31.12.2024 durfte der umsatzsteuerpflichtige Umsatz im vorangegangenen Kalenderjahr die Grenze von 22.000 € und der voraussichtliche Umsatz im laufenden Jahr 50.000 € nicht überschreiten.

Die Umsatzgrenzen für die Inanspruchnahme der Regelung wurden ab dem 01.01.2025 auf 25.000 € im vorangegangenen Kalenderjahr und auf 100.000 € im laufenden Jahr angehoben. Zur Berechnung des Höchstbetrags werden die Nettoumsätze herangezogen. Zudem kommt es nicht mehr auf das voraussichtliche, sondern auf das tatsächliche Überschreiten des oberen Schwellenwerts an. Sobald die 100.000 € unterjährig überschritten werden, muss der Wechsel von der Kleinunternehmerregelung zur Regelbesteuerung erfolgen. Dies ist eine wesentliche Änderung, denn bisher wurde die Änderung von oder zur Kleinunternehmerschaft nur für das gesamte Kalenderjahr und nicht unterjährig umgesetzt. Ab der Überschreitung wird die Leistung umsatzsteuerpflichtig und ist mit der darauf anfallenden Umsatzsteuer abzurechnen. Ab diesem Zeitpunkt sind vierteljährliche Umsatzsteuervoranmeldungen an die Finanzverwaltung zu übermitteln.

Im Sinne des Umsatzsteuergesetzes wird eine Person mit sämtlichen unternehmerischen Tätigkeiten als ein einheitliches Unternehmen betrachtet. Daher sind beispielsweise umsatzsteuerpflichtige Vermietungen im privaten Bereich ebenfalls in die Prüfung der Umsatzgrenzen einzubeziehen.

BEISPIEL:

HNO-Ärztin B erbringt bis einschließlich 2024 im Rahmen ihrer Heilbehandlungen als selbständige Ärztin in eigener Praxis umsatzsteuerfreie Umsätze. Mit ihrer Dozententätigkeit vereinnahmt sie zusätzlich ca. 20.000 € pro Jahr und mit der langfristigen Vermietung ihrer Eigentumswohnung an die Privatperson M 12.000 € jährlich.

B ist mit ihrer ärztlichen Tätigkeit, der Dozententätigkeit und der Vermietungstätigkeit unternehmerisch tätig (einheitliches Unternehmen). Um den Gesamtumsatz zu prüfen, sind zunächst alle steuerbaren Umsätze heranzuziehen. Davon auszuschließen sind die steuerfreien Umsätze aus der Vermietung und der Heilbehandlung als Ärztin, sodass B einen relevanten Gesamtumsatz von 20.000 € hat und damit Kleinunternehmer ist.

Zudem bietet sie ab 2025 ästhetische Botox- und Hyaluronleistungen an und baut diese Leistungen sukzessive aus. Damit erzielt sie bis Ende September 2025 bereits 80.000 € Umsatz. Hinzu kommen ihre Dozentenumsätze, welche zu dem Zeitpunkt 20.000 € betragen. Anfang Oktober 2025 erbringt sie eine weitere ästhetische Botoxleistung und überschreitet mit diesem Umsatz die Grenze von 100.000 €. Die Botoxleistung, die die Grenze überschreitet, unterliegt bereits der Umsatzsteuerpflicht. Auch alle folgenden ästhetischen Botox- und Hyaluronleistungen sowie die weiteren Umsätze der Dozententätigkeit sind ab diesem Zeitpunkt umsatzsteuerpflichtig. Für sämtliche dem Grunde nach umsatzsteuerpflichtige Leistungen ist ab dem Zeitpunkt der Überschreitung der Grenze von 100.000 € eine Rechnung mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer zu erstellen. Gleichzeitig hat man auf Eingangsleistungen (wie z. B. den Kauf von Hyaluronsäure) ab dem Zeitpunkt der eintretenden Umsatzsteuerpflicht einen vollen Vorsteuerabzug.

Die Neugestaltung der Kleinunternehmerregelung sieht keine eigene Vorschrift für Unternehmensneugründungen vor, weshalb diese automatisch erst einmal als Kleinunternehmer eingestuft werden.

Möchten Sie auf die Anwendung der Kleinunternehmerreglung verzichten, kann dies laufend oder rückwirkend bis zum letzten Tag im Februar des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres erklärt werden. Dann sind Sie als Unternehmer 5 Jahre an die Regelbesteuerung gebunden. Werden von vornherein hohe Investitionen in Geräte oder Materialien für eine umsatzsteuerpflichtige Leistung, wie zum Beispiel eine ästhetische Leistung, erwartet, kann es vorteilhaft sein, auf die Kleinunternehmerregelung zu verzichten. Dadurch haben Praxen die Möglichkeit, die ihnen in Rechnung gestellte Vorsteuer aus der Anschaffung von Geräten und Ausstattung in Bezug auf die umsatzsteuerpflichtigen Leistungen vollständig geltend zu machen. Diese Vorgehensweise kann die finanzielle Belastung durch Investitionen reduzieren und die Liquidität der Praxis verbessern. Diese Fälle treten in Praxen, die sowohl Heilbehandlungsleistungen als auch ästhetische Leistungen anbieten, eher selten auf.

Praxistipp: Umsetzung durch unterschiedliche Rechnungskreisläufe

Wie stellen Sie als PraxisinhaberIn sicher, dass Sie die oben genannten Umsatzgrenzen nicht unbemerkt überschreiten und damit das Risiko einer Nachzahlung eingehen?

Wichtig ist der regelmäßige Austausch mit dem steuerlichen Berater. Denn grundsätzlich kann dieser aus den Patienteneinnahmen sowie den Zahlungseingängen von Abrechnungsdienstleistern auf dem Bankkonto nicht direkt erkennen, um welche Leistungen es sich handelt – ob um umsatzsteuerpflichtige oder umsatzsteuerfreie ärztliche Heilbehandlungen.

Sie sollten daher für umsatzsteuerfreie Privatabrechnungen und Ige-Leistungen einen anderen Rechnungskreislauf nutzen als für umsatzsteuerpflichtige Behandlungsleistungen, wie beispielsweise ästhetische Eingriffe. In diesen Fällen könnten Sie z. B. den Rechnungskreislauf mit einem U (für Umsatzsteuer) oder einem Ä (für Ästhetik) beginnen lassen. Patienten zahlen die Rechnungen durch Angabe der Rechnungsnummer, sodass Ihr Steuerberater die umsatzsteuerpflichtigen und umsatzsteuerfreien Leistungen aus den Überweisungsträgern filtern kann.

 

VARIABLE VERGÜTUNG FÜR ANGESTESTELLTE ÄRZTE – EIN WIN-WIN-MODELL FÜR PRAXISINHABER UND MITARBEITENDE

In Zeiten zunehmender wirtschaftlicher Herausforderungen in der ambulanten Versorgung stellt sich für viele Praxisinhaber die Frage: Wie gelingt es, qualifizierte Ärztinnen und Ärzte nicht nur zu gewinnen, sondern auch dauerhaft zu binden – und das unter wirtschaftlich sinnvollen Bedingungen?

Ein möglicher Schlüssel: Die Einführung eines variablen Vergütungsmodells. Richtig konzipiert, kann es sowohl die Motivation der Mitarbeitenden als auch die Wirtschaftlichkeit der Praxis steigern. Eine klassische Win-Win-Situation – wenn man einige Grundregeln beachtet.

 

Warum eine variable Vergütung?

Die Vergütung von angestellten Ärzten erfolgt in vielen Praxen bislang nach einem verhandelten und festgelegten jährlichen Fixgehalt. Das funktioniert – hat aber Grenzen. Denn ein reines Festgehalt honoriert weder besonderen Einsatz noch wirtschaftlichen Erfolg. Eine variable Vergütung hingegen schafft klare Anreize für Leistung, ermöglicht individuelle Entwicklungsmöglichkeiten und bringt unternehmerisches Denken ins Team. Gleichzeitig bleibt die Kostenstruktur für den Praxisinhaber planbar – denn gezahlt wird die Zusatzvergütung nur bei entsprechendem Mehrwert und Erfüllung von austangierten Mindestgrenzen.

 

Die „Drei-Gehälter-Regel“ – eine Faustformel für die Kalkulation

Ein bewährter Richtwert bei der Planung: Ein angestellter Arzt sollte etwa das Dreifache seines Bruttogehalts an Umsatz erwirtschaften, damit sich das Anstellungsverhältnis für die Praxis wirtschaftlich trägt und ein entsprechender Unternehmerlohn verbleibt. Ein Beispiel:

  • Arbeitnehmer – Bruttogehalt: 8.000 € monatlich
  • Jahresgehalt: 96.000 €
  • Erforderlicher Umsatz: ca. 288.000 €

Sie könnten in diesem Wert die Arbeitgeberkosten von rund 18.000 € ergänzen, sodass Sie auf einen erforderlichen Umsatz von rund 306.000 € gelangen. Alles, was darüber hinausgeht, ist nicht einkalkulierter Gewinn und kann daher sinnvollerweise zur variablen Vergütung herangezogen werden. Dabei gilt: Die genaue Ausgestaltung sollte transparent, nachvollziehbar und auf die individuellen Gegebenheiten der Praxis abgestimmt sein.

 

Worauf kommt es bei der Bemessungsgrundlage an?

Ein häufiger Fehler in der Praxis ist es, die variable Vergütung ausschließlich an den Privatumsätzen festzumachen. Das klingt verlockend, weil dort Margen meist höher sind, führt aber nicht selten zu unerwünschten Nebeneffekten: Die Kassenleistungen werden vernachlässigt, die Praxisstruktur verschiebt sich einseitig, das Versorgungskonzept leidet und die Konkurrenzsituation in der Praxis steigt. Wir empfehlen daher immer eine individuelle und ganzheitliche Betrachtung, die alle relevanten Umsatzarten berücksichtigt – GKV, IGEL, Privat – und auf Ihre Praxis zugeschnitten ist. Die grundlegende Frage lautet daher: Was ist meine Erwartungshaltung an die angestellte Ärztin?

  • In einer gemischten Patientenstruktur sollte die variable Vergütung sämtliche Umsatzarten einbeziehen.
  • In einer Praxis mit hohem Privatanteil oder einem besonderen Fokus auf iGe-Leistungen kann die Vergütung stärker an den Privatumsätzen und Selbstzahlerleistungen fokussiert werden.
  • Wichtig ist: Die Anreize müssen zum Gesamtkonzept der Praxis passen und dürfen nicht zu Fehlsteuerungen führen.

Ein gut durchdachtes variables Vergütungssystem bringt nicht nur finanzielle Flexibilität, sondern stärkt auch das Miteinander im Praxisteam. Wenn Leistung anerkannt und fair honoriert wird, profitieren beide Seiten: die Praxisleitung ebenso wie die angestellten Ärztinnen und Ärzte. Die Vorteile im Überblick:

Vorteile für Praxisinhaber

  • Kalkulierbare Personalkosten: Variable Anteile werden nur bei entsprechendem Mehrwert gezahlt.
  • Steigerung der Wirtschaftlichkeit: Mehrleistung führt zu höherem Praxisertrag.
  • Wettbewerbsvorteil: Attraktive Vergütungsmodelle helfen beim Recruiting.
  • Stärkung der Mitarbeiterbindung: Ärzte, die ihren wirtschaftlichen Erfolg mitgestalten können, bleiben eher langfristig.

Vorteile für angestellte Ärzte

  • Motivation und Transparenz: Eigene Leistung wird sichtbar und anerkannt.
  • Attraktive Verdienstmöglichkeiten: Wer mehr leistet, verdient auch mehr – ohne Deckelung durch starre Tarife.
  • Persönliche Entwicklung: Mitarbeitende erleben sich nicht nur als Behandler, sondern auch als Teil eines unternehmerischen Teams.
  • Work-Life-Balance bleibt steuerbar: Durch individuelle Zielvereinbarungen und faire Grenzwerte bleibt die Belastung kontrollierbar.

Worauf man achten sollte: Stolperfallen vermeiden

Natürlich gibt es auch Herausforderungen. Eine variable Vergütung darf nicht zu einem „Hamsterrad-Modell“ führen, bei dem Mitarbeitende unter permanentem Druck stehen. Auch unfaire oder intransparente Modelle können Unzufriedenheit fördern.

Daher gilt:

  • Klare Ziele definieren: Was genau soll wie gemessen werden?
  • Transparenz schaffen: Mitarbeitende müssen die Berechnungen nachvollziehen können. Dafür ist es wichtig, dass die relevanten Umsätze auch zuverlässig zugeordnet werden können. In Kassenarztpraxen sollte regelmäßig die differenzierte Honorarauswertung der Kassenärztlichen Vereinigung beantragt und genutzt werden, um die individuellen Kassenumsätze je angestelltem Arzt zu dokumentieren. In Privat- oder IGEL-orientierten Praxen muss sichergestellt sein, dass in der Praxissoftware die Behandlerkennung korrekt gepflegt wird – gerade, wenn Räume oder Patienten im Alltag häufiger zwischen Ärzten wechseln. Nur so ist gewährleistet, dass die monatlichen Umsätze der jeweiligen Ärztin oder des jeweiligen Arztes sauber erfasst und für die Vergütung herangezogen werden können.
  • Regelmäßige Gespräche führen: Zielvereinbarungen sollten jährlich überprüft und angepasst werden.
  • Honoraranpassungen in der Zukunft absichern: Die festgelegten Umsatzgrenzen sollten ebenfalls eine Inflationsklausel oder moderate prozentuale Steigerung jährlich beinhalten.
  • Rechtliche Aspekte nicht vernachlässigen: Neben betriebswirtschaftlichen Überlegungen ist auch die vertragliche Ausgestaltung eines variablen Vergütungsmodells von zentraler Bedeutung. Denn bei einer variablen Vergütung, die sich an Umsätzen orientiert, stellen sich automatisch arbeitsrechtliche Fragen – insbesondere im Hinblick auf Ansprüche im Krankheitsfall, während bezahlter Fehlzeiten (wie Feiertage oder Urlaube) oder bei Schwangerschaft mit etwaigem Beschäftigungsverbot und/oder Elternzeit, aber auch bei der Einbeziehung in die Jahresarbeitsentgeltgrenze, wenn es um den Wechsel in die und zum Verbleib in der privaten Krankenversicherung Ihrer angestellten Ärzte und Ärztinnen geht. Fehlen eindeutige Regelungen im Arbeitsvertrag, kann es dazu kommen, dass ein Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung erfolgt oder zu geringe Leistungen im Fall von Kranken- oder Elterngeld in Anspruch genommen werden können. Um solche Risiken zu vermeiden, empfehlen wir dringend, die vertragliche Gestaltung juristisch begleiten zu lassen, idealerweise in enger Abstimmung mit der steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Beratung.
  • Nicht nur monetär denken: Auch andere Anreize wie Fortbildungsbudgets und gezielte Weiterbildungsmöglichkeiten können junge Kolleginnen und Kollegen motivieren.

 

Praxisbeispiel: So könnte ein Modell vereinfacht ausgestaltet aussehen

Eine angestellte Ärztin erhält ein monatliches Grundgehalt von 7.500 €. Sobald der Monatsumsatz der Ärztin über 24.000 € liegt, werden 20 % des Mehrumsatzes als Bonus vergütet. Bei einem Umsatz von z. B. 30.000 € wären das 20 % von 6.000 € = 1.200 € zusätzlich.

Ergebnis: Die Ärztin ist motiviert, wirtschaftlich zu arbeiten und hat eine klare Zielvorgabe definiert bekommen. Die Praxis profitiert von möglichen zusätzlichen Erlösen ohne unkalkulierbare Personalkosten. Kurzum eine Win-Win-Situation für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Unser Fazit: Individuelle Lösungen sind der Schlüssel

Ein variables Vergütungsmodell kann ein starker Motivator sein, aber es muss zur Praxis, zum Team und zur Strategie passen. Standardlösungen helfen selten weiter. Umso wichtiger ist eine professionelle und transparente Gestaltung mit klaren Spielregeln und motivierenden Zielen.

Unser Angebot: Wir unterstützen Sie gerne dabei, ein maßgeschneidertes Vergütungskonzept zu entwickeln – mit betriebswirtschaftlicher Expertise, steuerlicher Kompetenz und einem tiefen Verständnis für die Besonderheiten im Gesundheitswesen.

Sie möchten wissen, welche Modelle für Ihre Praxis sinnvoll sind? Sie fragen sich, welche finanziellen Spielräume Sie haben? Oder Sie möchten bestehende Anreizsysteme überarbeiten?

Sprechen Sie uns gerne laufend oder in einem Strategietermin an – wir beraten Sie gerne.